Donnerstag, 18. Februar 2010

Das Schicksal der Sylvia K. (III)

18. Februar 2010
"Kinderheim-Geruch haftet an mir"

„Mal verdiente ich gut, mal krebste ich herum“, beschreibt Sylvia K. (Name geändert) ihr bisheriges Leben, Stadtplanerin sei sie gewesen, TV-Autorin, sie habe die Welt gesehen und immer eins gefürchtet: den Verlust ihrer Freiheit. Denn: Sozialisiert worden sei sie wie „ein südeuropäischer Straßenköter - ohne die Hunde herunterputzen zu wollen“ in einem Kinderheim in Nordhessen. Welche Folgen diese Heimerziehung habe, das wolle sie erzählen. Die 53-Jährige lebt im Ausland, nach Deutschland zurückkehren will sie nicht. Ihr Sohn ist 13.


Heute lebt Ihr Sohn bei Ihnen. Haben Sie das Sorgerecht wieder bekommen?
 
Sylvia K.: Nein. Ich habe schon bald geahnt, dass uns nur noch die Flucht blieb. Denn der Vater hatte längst den Spaß an einem Kind verloren. Nach den Jahren des Alleinerziehens und nach dem Rechtsstreit war ich pleite. Also klaute ich am 2. Oktober 2004 meinen Sohn und floh mit ihm ins entfernte Portugal.
 
Dort sind Sie aber nicht lange mit Ihrem Sohn geblieben?
 
Sylvia K.: Seit Sommer 2005 leben wir der Sprache wegen in einer deutschsprachigen Gemeinschaft eines Nachbarlandes von Deutschland. Mein Sohn kann hier zur Schule gehen. Die jahrelange Angst im Nacken, entdeckt zu werden, immer ausgebeutet zu sein, immer in der Ungewissheit zu leben, wovon ich die Miete bezahlen soll, hat mich ziemlich mürbe gemacht. Jetzt, während ich meine Geschichte in Kurzform erzähle, mich dabei zurück erinnere, kommen erneut Wut und Verzweiflung gleichermaßen in mir hoch. 
 
Müssen Sie immer noch Angst haben?
 
Sylvia K.: Seit ein paar Wochen weiß ich, dass wir nicht mehr gesucht werden. Nach langem Bitten zog der Vater seine Anzeige zurück. Doch ich musste ihm zusichern, dass ich keine finanziellen Ansprüche stelle. Er hat nach wie vor das alleinige Sorgerecht, ist aber damit einverstanden, dass unser Sohn bei mir lebt.
 
Dennoch ist eine Rückkehr nach Deutschland ausgeschlossen?
 
Sylvia K.: Wir können nicht nach Deutschland zurück, weil dann die Behörden meinen Sohn ergreifen würden, da der Vater wieder geschieden ist. Mein Sohn will auch nicht zu ihm. Er würde dann vermutlich wie einst geplant fremd untergebracht werden. Für einen neuen langwierigen Rechtsstreit habe ich aktuell weder die Nerven noch das Geld. Vor allem aber will ich das meinem Sohn nicht zumuten. Er soll nicht mein Trauma bekommen. Darüber hinaus möchte ich auch nicht nach Deutschland zurück.
 
Meine Geschichte, meine Erlebnisse mit den Sorgerechtsbehörden haben mir auf erschreckende Weise gezeigt, welch abscheuliche Willkür und Menschenverachtung noch immer hinter den Kulissen herrschen. Ich könnte jetzt ein paar O-Töne zum Besten geben. Unser Fall hatte bisweilen kafkaeske Züge.
 
Mein Lebtag hatte ich das Gefühl, der Geruch des Kinderheimes haftet immer noch an mir.
 

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